Solarwärme von der Fassade | pro-physik.de

2021-12-15 02:07:39 By : Ms. Swallow Zhou

Rund 40 Prozent der Primärenergie in Deutschland werden heute für die Raumheizung und Trinkwassererwärmung verwendet. Fassaden als „wärmende Wände“ können einen bisher wenig beachteten Beitrag zum Gelingen der Heizungswende leisten. Ein Forschungskonsortium unter Federführung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg hat im Projekt »ArKol« zwei neuartige solarthermische Fassadenkollektoren entwickelt, die als integraler Bestandteil der Fassade architektonisch ansprechend sind: einen Streifenkollektor und einen Solar thermische Jalousie.

„Ziel des Projekts war es, das großflächige Potenzial von Fassaden zur Wärmeerzeugung zu nutzen und gleichzeitig den Architekten mehr Gestaltungsfreiheit zu geben, denn die Vorbehalte potenzieller Kunden gegenüber dem Erscheinungsbild der Kollektoren standen bislang im flächendeckende Nutzung der Solarthermie. Gleichzeitig soll der Planungsaufwand reduziert und eine vereinfachte Montage und Installation ermöglicht werden“, sagt Michael Hermann, Koordinator für Innovationsprozesse im Bereich Thermische Systeme und Gebäudetechnik am Fraunhofer ISE. 

Fassaden haben gegenüber der klassischen Aufdachmontage von Solarthermiekollektoren eine Reihe von Vorteilen. Bei einer Heizungsunterstützung im Innenraum wird das Einstrahlungsprofil besser an den tatsächlichen Energieverbrauch angepasst: Im Winter, wenn die Sonne tiefer steht, wird die Fassade in einem günstigeren Winkel als das Dach beleuchtet und kann somit einen höheren Ertrag liefern. Im Sommer hingegen, wenn der Wärmebedarf deutlich geringer ist und sich im Wesentlichen auf die Trinkwassererwärmung beschränkt, unterliegen die Fassadenkollektoren einer geringeren Sonneneinstrahlung. Dadurch erzeugen sie weniger überschüssige Wärme, was die Materialbelastung von Kollektor und Fluid reduziert und eine längere Lebensdauer ermöglicht. In urbanen Gebieten mit hohen Gebäuden stehen an Fassaden mehr Flächen zur Verfügung als auf Dächern – zumal diese oft auch für Aufzugsschächte und andere technische Bauwerke benötigt werden. Für die effiziente und ästhetisch ansprechende Nutzung der Solarthermie in Fassaden entwickelten die Forscher und ihre Industriepartner Konzepte und erste Demonstratoren für transparente und lichtundurchlässige Gebäudehüllen.

Solarwärme aus transparenten Gebäudeflächen zu gewinnen ist mit herkömmlichen Kollektoren bisher nicht oder nur mit eingeschränkter Transparenz möglich. Gleichzeitig werden bei verglasten Fassaden von Hochhäusern bei Doppelfassaden häufig Jalousien zwischen Glasscheiben eingesetzt. Durch die Sonneneinstrahlung treten in diesem Raum Temperaturen von bis zu hundert Grad Celsius auf. Die solarthermischen Jalousien können diese überschüssige Wärme wie ein Solarthermie-Kollektor abführen und bieten gleichzeitig die volle Mobilität und Funktionalität eines Lamellen-Sonnenschutzes. So lassen sich die Solarthermie-Rollos bei Bedarf komplett zusammenfassen und bieten dann volle Transparenz. Durch die Abfuhr der Wärme kann auch im Sommer die Kühllast des Gebäudes reduziert werden, was den Energiebedarf weiter senkt.

Zu diesem Zweck sind in die Lamellen Heatpipes integriert, um die Wärme der Lamellen, die als Absorber dienen, über eine schaltbare thermische Kopplung im trockenen Zustand ohne Flüssigkeitsübergang auf einen seitlichen Sammelkanal zu übertragen. Durch dieses Wärmeübertragungskonzept lassen sich die Lamellen wie bei herkömmlichen Jalousien durch einfaches Loslassen des Kontakts bewegen. Die Jalousie eignet sich besonders für Doppelfassaden, deren Zwischenraum einen guten Wetterschutz bietet. „Als multifunktionales Fassadenelement können die solarthermischen Jalousien für ein angenehmes Raumklima und guten Blendschutz sorgen und gleichzeitig den Energiebedarf für Warmwasser und Klimatisierung reduzieren“, erklärt Projektleiter Simon Häringer.

Der ebenfalls im Projekt entwickelte Streifenkollektor bietet ein hohes Maß an Flexibilität hinsichtlich Größe, Farbe, Abstand, Anzahl und Ausrichtung gegenüber klassischen Solarkollektor-Designs und stellt somit ein baulich attraktives Bauteil dar. Die streifenförmige Kollektorkonstruktion kann in unterschiedlichen Längen ausgeführt und durchgehend auf der Unterkonstruktion positioniert werden. Die Bereiche zwischen den einzelnen Kollektorleisten können mit handelsüblichen Fassadenbekleidungsmaterialien in beliebiger Höhe ergänzt werden. Dies ist technisch möglich, da die durch die Sonneneinstrahlung auf dem spektral selektiv beschichteten Absorber im Kollektor erzeugte Wärme durch Heatpipes zur Seite transportiert und dort trocken an den Sammelkanal abgegeben wird. Da Solarflüssigkeit nur durch den Sammelkanal fließt, benötigen die einzelnen Kollektoren keinen hydraulischen Anschluss. 

Die Kollektoren werden mit handelsüblichen Konsolen in die Unterkonstruktion einer vorgehängten hinterlüfteten Fassade eingehängt. Dieses Konzept lässt sich sowohl im Neubau als auch im Rahmen einer Sanierung umsetzen. „Diese Plug & Play-Lösung erleichtert die Koordination der Gewerke im Bauprozess und schafft klare Schnittstellen für Montage und Haftung. Die vereinfachte hydraulische Planung erleichtert auch Fassadenbauern, Stuckateuren und Malern die Umsetzung“, erklärt Katharina Morawietz, Teilprojektleiterin des Streifenkollektors. Diese Vorteile bei der Montage und die tollen Gestaltungsmöglichkeiten werden bei der Umsetzung einer ersten Demonstrationsfassade bei der DAW deutlich sichtbar.

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit war ausschlaggebend für die erfolgreiche Entwicklung der vom Fraunhofer ISE vorgeschlagenen Fassadenkollektorkonzepte bis hin zur Praxistauglichkeit. Dafür kamen Kompetenzen und Erfahrungen aus der Solar- und Baubranche – von der Fassadenplanung über die Komponentenentwicklung bis hin zur Montage und Montage durch das Handwerk – zusammen. Neben der Gesamtkoordination lag der Fokus auf der Charakterisierung und Entwicklung von Heatpipes, der solarthermischen Auslegung, der konstruktiven Umsetzung, dem Prototyping und der Vermessung. Die Streifenkollektoren für die Demonstrationsfassade wurden von Wagner Solar gefertigt.

Vakuum in Forschung und Praxis

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